Zum einen ist es ungeheuer spannend, einen kleinen Einblick in die Entstehungsgeschichte einer Geige zu bekommen. Von der Suche nach geeignetem Holz in hochgelegenen Bergwäldern über die Harmonie der Gegensätze im Entwurf des Instruments, Faktoren der Klangfarben und Gestaltung der Wölbung bis hin zum Geheimnis des Geigenlacks nimmt Schleske den Leser in seine Arbeit mit hinein.
Jeder Satz zeugt von seinem Fachwissen und seiner Hingabe und voller Hochachtung spürt man, dass hier wirklich ein Meister seiner Kunst am Werk ist. Und das auch in literarischer Hinsicht. Seine Sprache ist wortgewaltig, sehr dicht und bildhaft, eindringlich und leidenschaftlich, dabei gleichzeitig direkt und klar.
Schleske vermittelt nicht nur eine Vorstellung von seiner handwerklichen und musikalischen Kunst, sondern nimmt einzelne Arbeitsschritte und Überlegungen zum Anknüpfungspunkt für eine Vielzahl von Gleichnissen über die Beziehung zwischen Gott und Mensch. Darin liegt für mich der wahre Schatz dieses Buches.
Er spricht von der Berufung jedes einzelnen Menschen, in Gottes Hand zum Instrument zu werden und einen ganz eigenen, unverwechselbaren Klang zu entfalten. So wie Schleske als Geigenbaumeister mit dem Holz arbeitet, den individuellen Faserverlauf berücksichtigt und mit Achtung und Weisheit den Hobel ansetzt, um das Holz zum Klingen zu bringen, so behutsam und würdigend ist Gottes Umgang mit uns Menschen. Wir sind seine Kunstwerke und finden unsere Bestimmung und Erfüllung, wenn wir einwilligen, dass seine Liebe, Gnade und Gerechtigkeit durch unser Leben zum Ausdruck kommen.
Dieser Weg führt uns unweigerlich zum Mitmenschen und in die Gemeinschaft hinein, macht uns zu Mitgliedern eines großen Orchesters, in dem jeder mit seinem besonderen Klang zur Gesamtwirkung der Symphonie beiträgt. Nicht mehr das persönliche Glück steht im Fokus, sondern die Frage, was sich durch uns erfüllen soll, was unserem Leben zugetraut wird und wie wir das Charakteristische des anderen wahrnehmen und fördern können.
Abschnitt um Abschnitt, Seite für Seite steckt Schleskes Buch voller tiefer Einsichten und treffend formulierter Wahrheiten. Man kann es unmöglich einfach herunterlesen, sondern braucht Zeit, um seine Gedanken zu erfassen und nachwirken zu lassen. Und hat man das Ende erreicht, möchte man am liebsten sofort wieder von vorn beginnen, um sich noch einmal von ihm anregen und befeuern zu lassen.
Schon lange hat mich kein Buch mehr so inspiriert und bewegt wie „Der Klang“. Ich kann nur empfehlen: Lesen Sie es selbst!
Martin Schleske: Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens
Erschienen bei Kösel. Bildrechte: Kösel.