Eva Herman: Das Eva-Prinzip. Für eine neue Weiblichkeit

buecherfreuden • 13. November 2006

Appell an die Frauen

Ausgehend von der Beobachtung, dass immer weniger Kinder geboren werden, immer mehr Partnerschaften zerbrechen und immer mehr Frauen unter dem Spagat zwischen Berufs- und Privatleben leiden, plädiert Eva Herman dafür, dass Frauen sich wieder auf ihre eigentlichen Fähigkeiten und Stärken besinnen:

Anstatt für Selbstverwirklichung zu kämpfen und sich männliche Eigenschaften anzueignen, um sich in der Berufswelt durchzusetzen, sollen sie ihr Leben der Familie widmen. Dabei können sie die Erfahrung machen, wie erfüllend und beglückend es ist, Kinder zu bekommen, sie aufwachsen zu sehen, ihnen Zeit und Zuwendung und ein gutes Zuhause zu schenken. Männer sollen nicht als Konkurrenten oder Erziehungsobjekte betrachtet werden, sondern als gleichwertige Partner, denen man Freiräume und anders geartete Bedürfnisse zugesteht.


Wo die gesellschaftlichen Bedingungen für Frauen und Familien nachteilig sind, mahnt die Autorin an, selbst aktiv zu werden und nicht nur vom Staat zu erwarten, er möge bessere Verhältnisse schaffen. Sie betont außerdem, dass die Forderungen nach flächendeckender Betreuung von Kleinkindern und die Vorstellung, eine Frau müsse erwerbstätig sein, um als Person etwas zu gelten, auf den Einfluss einer radikalen feministischen Bewegung zurückgehen, die ihre Daseinsberechtigung längst verloren hat. 


Überhaupt liest sich das ganze Buch streckenweise wie eine persönliche Abrechnung mit dem Feminismus, sehr engagiert und kämpferisch. Es richtet sich offenbar an Frauen, die als höchstes Ziel die eigene Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit anstreben und denen Kinder nicht ins persönliche Lebenskonzept passen. Eva Herman möchte sie wachrütteln und ihnen klar machen, wie sehr sie sich selbst und der gesamten Gesellschaft mit ihrer Einstellung schaden. 


Im Grunde unterstütze ich das Anliegen der Autorin. Ich bin als Mutter bewusst zu Hause bei den Kindern geblieben und habe die Kleinkinderphase als zwar anstrengende, aber erfüllende Zeit erlebt. Trotzdem hat sich bei einigen ihrer Ausführungen der Widerspruch in mir geregt.


Ist es als Frau wirklich meine Bestimmung, zuallererst für die Kinder und den Mann da zu sein? Was ist mit meinen anderen Fähigkeiten und Begabungen? Was ist, wenn ich zwar meine Kinder liebe, aber keine Freude an hausfraulichen Tätigkeiten habe? Und was ist, wenn die Kinder größer werden und ich gern wieder in den Beruf einsteigen würde – ist es wirklich so einfach, wie Frau Herman meint, die eigene Karriere nach der Kindererziehungsphase wieder aufzunehmen? (Meine Erfahrung ist da eine andere!)


Ist es fair, erwerbstätigen Frauen zu unterstellen, sie hätten nur ihre Selbstverwirklichung und einen unnötig gesteigerten Lebensstandard im Blick? Haben nicht gerade Familien derart mit den wachsenden Lebenshaltungskosten zu kämpfen, dass ein zweites Einkommen für viele überlebensnotwendig geworden ist?


Ist es ein guter Grund, Kindertagesstätten von vornherein abzulehnen, nur weil die in Deutschland vorhandene (Ganztags-) Betreuung für kleine Kinder von unzureichender pädagogischer Qualität ist? Könnte das nicht vielmehr Anlass dazu sein, sich für eine Verbesserung der Angebote einzusetzen? Zeigt nicht der Vergleich mit unserem Nachbarland Frankreich, dass dort, wo es für Frauen einfacher ist, Berufstätigkeit und Familie miteinander zu verbinden, nicht über niedrige Geburtenraten geklagt werden muss? 


Ich möchte das Buch all denen empfehlen, die sich gern mit gesellschafts- und familienpolitischen Fragen und der Rolle von Männern und Frauen auseinandersetzen. Es mag eine Mischung aus guten Ansätzen, wenig differenzierten Sichtweisen und idealisierten Vorstellungen sein, aber eines ist es auf jeden Fall: äußerst anregend.


Bei der Lektüre musste ich immer wieder Pausen einlegen und mit meinem Mann über Frau Hermans Aussagen diskutieren. Und vielleicht hat die Autorin damit ja ihr wichtigstes Anliegen erreicht: Dass die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht einfach als gegeben angenommen werden, sondern dass man darüber redet, wo wir stehen, wo wir hinwollen und was das für jeden persönlich bedeutet. 


Eva Herman: Das Eva-Prinzip. Für eine neue Weiblichkeit 


Erschienen bei Pendo/Goldmann. Bildrechte: Goldmann.

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